Mein Erasmus-Semester in Bologna – Ein Erfahrungsbericht für die Universität Bremen

01. März 2019
Das Mittelalter im 21. Jahrhundert: Willkommen in Bologna
Pizza, Pasta, Dolce Vita! Ja, ich habe mich für ein Erasmus Semester in der wunderschönen Emilia-Romagna entschieden. Und nein, ich bereue diese Entscheidung in keinster Weise. Die Uni in Bologna ist die Älteste in Europa und daher auch über Italiens Grenzen hinaus sehr bekannt. Schon im Jahr 1088 wurde hier das erste Mal eine Jura-Vorlesung gehalten und auch die Politikwissenschaft ist dort eine relativ gut ausgebaute Fachrichtung. Die Uni Bologna ist keine Campus-Uni. Das bedeutet die Institute und Fakultäten liegen überall in der Stadt verteilt. Die meisten davon rund um die „Via Zamboni“ und die „Via Irnerio“. Das politikwissenschaftliche Institut hingegen liegt an der Strada Maggiore, der großen Hauptstraße, die sich wie eine pulsierende Schlagader quer durch die Stadt zieht. Wer die Vorstellung mag, für seine Vorlesungen jeden Morgen durch eine typisch italienische Stadt vorbei an großen Palazzi, dem Piazza Maggiore (großen Platz) zu seinem historischen Institutsgebäude zu fahren oder zu laufen, der ist in der roten Stadt (so genannt wegen der historischen Backsteinbauten und der politischen Ausrichtung) bestens aufgehoben. Für mich persönlich hat sie viel mehr Charakter als das zu jeder Jahreszeit von asiatischen Touristen belagerte Florenz.

Als Stadt ist Bologna einfach wunderschön und hat ein einzigartiges Flair. Einerseits fühlt es sich immer wieder an wie im Mittelalter. Überall stehen alte Gebäude aus dem 12., 13., und 14. Jahrhundert, die das gesamte Stadtbild prägen. Andererseits ist die Stadt so offensichtlich open-minded und in einem progressiven Prozess (vermutlich dank der rund 100.000 Studenten), dass man nie das Gefühl hat von dieser historischen Relevanz erdrückt zu werden. Als Wohnort ist Bologna unglaublich angenehm, da alles dicht beieinander liegt, gut zu erreichen ist und eine Menge Studenten die Kontaktaufnahme auch bei einem kürzeren Aufenthalt erleichtern. Denn als größte Studentenstadt Italiens und mit der zweitgrößten Uni des Landes ist eben immer etwas los. Wenn man nun noch das Glück hat (so wie ich) in einer großen WG zu landen, ist auch jemand da, der am Tag neue Teile der Stadt erkundet hat und abends schwärmend von den neuen Entdeckungen erzählt. Allerdings sollte man sich keine Illusionen machen. Italien ist teuer und Bologna ist die teuerste Stadt Italiens. Das schlägt sich sowohl in der Miete als auch den alltäglichen Supermarktrechnungen nieder. Das macht aus dem ersten Schritt auch die größte zu überwindende Hürde. Wenn das erledigt ist, kann das Semester wirklich beginnen.
Vorbereitungen: Was Du heute kannst besorgen…
Die organisatorische Vorbereitung auf ein Semester an der Uni Bologna gestaltet sich relativ entspannt. Es empfiehlt sich vielleicht einen Sprachkurs zu belegen, wenn man ein wenig Italienisch lernen möchte, bevor man Deutschland verlässt. Gerade in den kleineren Dörfern auf dem Land sprechen kaum Menschen Englisch und auch in Geschäften in den Städten ist es sehr von Vorteil wenigstens Grundkenntnisse zu haben, da die Italiener sich gern über Gott und die Welt unterhalten. Den Sprachkurs in Bremen kann man sich zudem in der Regel nach der Rückkehr beim FZHB erstatten lassen. Es ist auch möglich einen kostenlosen Sprachkurs in Bologna während des Semesters zu machen, allerdings sollte man sich dort am besten noch vor der Ankunft über das Internet anmelden, da die Kapazitäten sehr begrenzt sind. Ich wollte mich rund eine Woche vor der Deadline der Anmeldung registrieren, zu diesem Zeitpunkt waren aber schon alle Kurse voll.
„Gut, dass Du kein Spanier bist. Dann hättest Du die Wohnung nicht bekommen.“ Mit diesen Worten wurde ich von meinem Vermieter in die Bolognesische Wohnungskultur eingeführt. Hintergrund dieser Aussage waren die schlechten Erfahrungen, die viele Vermieter (darunter meiner) bereits mit spanischen ERASMUS-Studenten gemacht haben. Diese sind in der Stadt nämlich stereotypisch dafür bekannt Party zu machen und die Wohnung im Chaos zu versenken. Mit anderen Worten: Eine Wohnung zu bekommen gestaltet als Erasmus-Student als schwerstes Unterfangen der Vorbereitung und auch des Aufenthaltes. Es gibt viele Plattformen, in denen man auch online suchen kann, allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass es tatsächlich am Sinnvollsten ist, nach Bologna zu reisen und die Wohnungen zu besichtigen. So hat man drei Vorteile: man kann einen guten Eindruck von sich vermitteln (was bei der hohen Konkurrenz sehr wichtig ist), man kann nicht auf Betrüger hereinfallen (was schon einigen Studierenden passiert ist, die ich im Laufe der Zeit vor Ort kennengelernt habe) und man hat eine höhere Chance schnell einen Platz in einer Wohnung zu bekommen, da man direkt ansprechbar ist und auch einziehen kann. Auch ich bin zu diesem Zweck zunächst eine Woche in einem AirBnB untergekommen. So begann ich am 01. September mit der Suche und bin am 06. in meine neue Wohnung eingezogen. Die Plattformen, die ich genutzt habe, waren diverse Facebook-Gruppen, Subito.it (sowas wie das italienische Ebay-Kleinanzeigen) und Bussola, einer Seite zur Vermittlung, die von der Uni betrieben wird. Bei Letzterer wurde ich schließlich fündig. Auch hier lohnt es sich ein wenig Italienisch sprechen zu können, weil dies die Kommunikation sehr erleichtert. Generell solltet ihr vorher wissen, was genau ihr von einer Unterkunft erwartet und euch dann spezifisch auf die Suche machen. Es ist in Bologna sehr verbreitet auch Doppelzimmer zu vermieten, da der Wohnraum in der Stadt, gerade für Studenten sehr begrenzt ist. Wer also ein Einzelzimmer (Singola) mieten möchte, der muss u.U. auch mal tiefer in die Tasche greifen. So liegen die Mietpreise laut SAIS und meiner eigenen Erfahrung bei rund 240 bis 300 € für ein Bett im Doppelzimmer und zwischen 330 und 500 € für ein Einzelzimmer (beides ohne Nebenkosten). Bussola gibt auch hilfreiche Tipps zum Finden von Wohnungen und Unterzeichnen von Verträgen und die Uni zum Finden von Unterkünften allgemein. Plant in jedem Fall genug Zeit zum Finden einer Wohnung ein (mindestens 10 Tage vor Semesterbeginn) und seid stressresistent – ich habe viele Leute kennengelernt, die das Suchen an den Rand ihrer Belastbarkeit gebracht hat (mich selbst eingeschlossen). Gefunden hat am Ende aber jeder etwas.
Die Ankunft
Erstmal vor Ort muss man nur zum International Office gehen und bekommt ein erstes Dokument, das einem die Ankunft bestätigt und später für die „Confirmation of Erasmus Study Period“ benötigt wird. Außerdem wird einem ein „Starter-Pack“ mit allen wichtigen Infos über die Uni, die Online-Plattformen, Kurswahlen, Hochschulangebote u.v.m. ausgehändigt. Was Formalitäten angeht sind die Italiener ansonsten recht locker. Alle Informationen zum Studium kann man auf der Website der Fakultät finden. Jedoch muss man dabei immer bedenken, dass es sich um Italien handelt und Informationen unter Umständen nicht immer up-to-date sind. So waren die Kurse bei mir erst sehr spät einsehbar und wählen konnte ich erst, als ich vor Ort war. Im Zweifel hilft aber immer eine E-Mail ans International Office um Gewissheit zu erlangen. Dieses ist übrigens immer sehr freundlich und hilfsbereit.

Felsina, Bononia, Bologna – Eine Hauptstadt der Kultur
Die Anreise kann natürlich auf unterschiedliche Wege erfolgen: per Bus, Bahn oder Flugzeug. Gerade bei der Bahn können bei einer sehr frühzeitigen Buchung günstige Preise überraschen. So konnte ich meine Rückfahrt von Bologna nach Hamburg für nur 50 € buchen. Der Vorteil hierbei ist, dass es keine Gepäckbegrenzung gibt.
Eine Orientierungswoche in Bologna gibt es nicht, aber über ESN (das Erasmus Student Network) und Erasmusland (eine private und kostenpflichtige Organisation) findet man recht schnell Anschluss. Beide bieten Stadttouren, Kulturelle Ausflüge und Reisen durchs Land sowie Partys ohne Ende an, bei denen man viele verschiedene Studenten aus aller Welt kennenlernt. Bei uns nahmen daran eher Partystudenten und weniger die kulturell interessierten Menschen teil, was sich auch auf die Art der Aktivitäten auswirkte. Deshalb löste sich mein Freundeskreis von der Organisation relativ schnell, allerdings sind die Veranstaltungen zum Kennenlernen und „networken“ wirklich gut. Eine Infoveranstaltung am Beginn des Semesters klärt über die Formalia und Erwartungen der Uni an die Studenten auf. Das Campusleben an sich hat viel zu bieten, wenn man das ganze Angebot wahrnehmen kann/will. So existieren beispielsweise Chöre, Orchester, diverse Hochschulsportarten oder auch Theatergruppierungen. Kulturell gesehen ist die Stadt der Wahnsinn. Es gibt viele Museen und immer etwas Neues zu entdecken. Mein persönlicher Favorit war das Musikmuseum, wo der Eintritt für Studenten frei ist und handgeschriebene Noten und Portraits von unter anderem Mozart, Wagner und Verdi zu sehen sind. Aber auch das städtische Geschichtsmuseum, das Mittelaltermuseum und das Archäologiemuseum sind einen Besuch wert. Auch Motorsportfans kommen in der Herkunftsstadt von Maserati, Ducati und den nahegelegenen Geburtsorten von Ferrari und Lamborghini auf ihre Kosten. Und zuletzt ist Bologna natürlich ein Paradies für Feinschmecker und Essensliebhaber. Nicht umsonst kommen italienische Köstlichkeiten wie Mortadella, Ragù (hierzulande als Bolognese bekannt), Lasagne und Tortellini aus dieser Stadt.
Ihr merkt: Es gibt viel zu entdecken!

Zwischen Netflix und Papierstapeln
Die Kurse können aus dem gesamten Katalog gewählt werden. Entscheidend ist dabei aber meist der Ort (es gibt ja auch noch Campusteile in den Städten Cesena und Forli) und die Sprache (Englisch oder Italienisch). So musste ich am Ende Masterkurse wählen, da die Bachelorkurse alle sehr grundlegende Themen behandeln und bei mir durch das Bremer Grundstudium schon abgedeckt wurden. Zudem fanden sie nur auf Italienisch statt. Generell ist die Qualität der Lehre aber sehr hoch und ich könnte mir im Nachhinein auch gut vorstellen für einen Master nach Bologna zu gehen. Formell für eine Veranstaltung anmelden muss man sich letztlich nur durch die Prüfungen über die Online-Plattform. Um für diesen Vorgänge freigeschaltet zu sein, muss man allerdings regelmäßig in den Sitzungen gewesen sein, in welchen Anwesenheitslisten geführt werden (80% Anwesenheitspflicht). Die Prüfungen finden zu einem Großteil während des Semesters statt und sind quantitativ sehr intensiv. So gibt es in vielen Seminaren mindestens 3 Prüfungen, also meist ein Midterm-Exam, eine Endprüfung und ein großes Referat. Unter Umständen können aber noch kleinerer Zwischenprüfungen, Tests oder mündliche Prüfungen dazu kommen. Durch diese Handhabung hatte ich von September bis Dezember fast jeden Tag von circa 8 bis 20 Uhr mit der Uni zu tun und sehr wenig Freizeit. Dementsprechend war ich abends meist einfach froh mal nichts lesen zu müssen, sondern auch mal bei einer Folge auf „Netflix“ entspannen zu können. Ab Weihnachten entzerrte sich das Ganze dann etwas und ich hatte nur noch mit meinen Hausarbeiten zu tun. Vorlesungsende war bei mir schon um den 06. Dezember. Mir persönlich etwas zu undurchsichtig war letztlich die Bewertung der Prüfungsleistungen, da man als Student manchmal das Gefühl hatte, sie geschehe aus einer Laune des Dozenten heraus. Oft gab es weder Erwartungshorizonte noch besonders stichhaltige Erläuterungen oder Begründungen für Noten.

Was es sonst noch so zu sagen gibt
In fast der ganzen Innenstadt Bolognas gibt es freies Wlan. Das ist gerade in der Anfangszeit, wenn man sich auf Wohnungssuche befindet sehr nützlich. Gerade in der Weihnachtszeit und im Winter ist Bologna wunderschön. Durch den mittelalterlichen Charakter bekommt die Stadt in dieser Jahreszeit nochmal einen ganz besonderen Charme. Die Fortbewegung in der Stadt ist einfach. Nach Ankunft kann man sich für 10€ ein Ticket für den gesamten ÖPNV kaufen und es gibt die App „Mobike“ in der Stadt, die ein meist problemloses Bikes-Sharing ermöglicht. Auch das Reisen durch Italien ist dank „Trenitalia“ sehr günstig. So bin ich beispielsweise für 10 € nach Florenz, für 13 € nach Venedig und 12 € nach Cremona (meinem absoluten Tipp für einen Tagesausflug!) gefahren. Essen kann in Bologna sehr günstig sein, vor allem, da der Lebensstandard sonst eben relativ teuer ist. So kann man eine ganze Pizza bei „Pizza Casa“ oder „Pizza Due Torri“ schon für 2,50 € oder 3 € bekommen und genießt den Kaffee in den kleinen Läden für ungefähr einen Euro. Sehr beliebt sind auch die sogenannten Aperetivi, also Vorspeisenbuffetts mit All-you-can-eat Angebot. Hierfür würde ich jedem die Bar Senza Nome empfehlen. Ich persönlich habe Bologna stets als sehr sicher empfunden, anders als andere italienische Großstädte. Nach meiner Rückkehr blicke ich also auf ein tolles und ereignisreiches Semester zurück, das mich persönlich voran gebracht und viele neue Leute hat kennenlernen lassen. Ich hatte tolle Uni-Kurse, in denen ich viel lernen durfte und welche teilweise meinen Blick auf unsere Welt ziemlich verändert haben (mein Lieblingskurs war „Diplomacy in a Global World“ bei einem ehemaligen italienischen Diplomaten). Allerdings musste ich letztlich für meine Noten und mein „Transcript of Records“ auch einiges tun, stressresistent sein und mich in Disziplin üben. Mir persönlich sind die Stadt, die Region und das Land unglaublich ans Herz gewachsen und ich habe dort Freunde fürs Leben gefunden. Und wer weiß – vielleicht zieht es mich ja eines Tages wieder zurück.
Hinweis: Die Fotos sind alle von mir gemacht, die Rechte liegen ausschließlich bei mir.



